Bis Samstag zeigen Absolventinnen und Absolventen der Fachklasse Grafik im Foyer GBS St. Gallen ihre Abschlussarbeiten zum Thema «Stadt». Entstanden sind vor allem Buchprojekte, die sich mit St. Gallen beschäftigen.
Von Christina Genova
Was macht eine Stadt aus? Wie visualisiere ich das typisch Städtische? Elf Absolventen der Fachklasse Grafik setzten sich während zehn Wochen mit solchen und ähnlichen Fragen auseinander und fanden darauf erfrischend kreative Antworten. Sie hatten die Aufgabe, das in vier Jahren Gelernte in einem Abschlussprojekt zum Thema «Stadt» umzusetzen. Obwohl geschult und bestens vertraut mit elektronischen Medien und deren Gestaltungsmöglichkeiten, setzen bis auf eine Ausnahme alle auf das altmodische, aber altbewährte Medium Buch in seiner schönsten von Hand gebundenen Form.
Auf dem Fundbüro
Warum denn in die Ferne schweifen, dachten sich die meisten der angehenden Grafikerinnen und Grafiker und setzten sich mit der Stadt vor ihrer eigenen Haustüre auseinander. Unter dem Titel «lost and found – endende Spuren» beschäftigte sich Vera Brocker mit der typisch städtischen Institution des Fundbüros. 25 Objekte – Spielzeugautos, goldene Uhren, Herrenschuhe und vieles mehr – fotografierte sie im städtischen Fundbüro, katalogisierte sie nach Fundort, Datum und Objektkategorie und ordnete sie einem fiktiven Besitzer zu. Die Fundorte trug sie auf einem Koordinatennetz ein und es erstaunt wenig, dass die meisten Fundgegenstände in der Innenstadt und am Bahnhof verlorengingen.
Bei auffallend vielen Abschlussarbeiten wird gezählt, geordnet und aufgelistet – Kreativität paart sich mit Akribie. Lea Durot sammelte Daten zu Fläche, Stadtteilen, Strassennetz, Höhe, Bevölkerungsdichte und Klima von 24 Städten der Welt, um damit eine visuelle Weltreise zu unternehmen. Nicht die nackten Statistiken interessierten sie, sondern die versteckte Ästhetik der Daten. Sie ordnete die Flächen der Städte nach Grösse und Komplexität oder legte deren Umrisse als Liniengeflecht übereinander, so dass am Ende ein «Experatlas» entstand – ein Atlas der Experimente, wie Lea Durot ihn nennt.
«Utopia» und «Urbane Körper»
Agon Baumann hingegen löste sich mit seiner Abschlussarbeit «Utopia» gänzlich von real existierenden Städten und wandte sich fiktiven Städten aus Film, Literatur und Computerspielen zu. Der angehende Grafiker recherchierte Informationen zu Städten wie Minas Tirith aus Tolkiens «Herr der Ringe», Mega City aus dem Film «The Matrix» und Vault City aus dem Computerspiel «Fallout 2».
Eine weitere verspielt-versponnene Arbeit präsentiert Joël Roth unter dem Titel «Urbane Körper – ein Formenspiel». Mit seinem Skateboard begab er sich auf die Suche nach interessanten dreidimensionalen Objekten in der Stadt. Jedes wurde fotografiert, ausgemessen und der Verwendungszweck, Material und genauer geographischer Standort samt Koordinaten dokumentiert. Am Computer nutzte Joël Roth die gestalterischen Möglichkeiten und zerlegte die Objekte, multiplizierte und verfremdete sie, bis das Ausgangsobjekt kaum oder gar nicht mehr zu erkennen war.
Erschienen im St. Galler Tagblatt vom 27.06.2011