Im Januar wird das neue Oberstufenzentrum Buechenwald in Gossau eröffnet. Der St.Galler Künstler Alex Hanimann steuert die Kunst am Bau bei. Inspirationsquellen waren Mani Matter, Arvo Pärt – und die Schülerinnen und Schüler.
Von Christina Genova
Ende Januar 2010 ist es so weit: Die ersten Schülerinnen und Schüler werden im neuen Oberstufenzentrum Buechenwald in Gossau ihre neuen Schulzimmer beziehen. Einen der ersten Eindrücke ihres neuen Schulhauses wird ihnen ein Künstler bescheren: Beim nordwestlichen Eingang begrüsst sie Alex Hanimann mit einer künstlerischen Intervention. Diesen Frühling hat er den «Kunst am Bau»-Wettbewerb gewonnen und ist nun seit Frühsommer intensiv daran, das Projekt umzusetzen.
Alex Hanimann, 1955 in Mörschwil geboren, lebt und arbeitet in St. Gallen und gehört zu den bedeutendsten Ostschweizer Kunstschaffenden. Der Lehrbeauftragte an der Hochschule für Gestaltung und Kunst in Zürich realisiert häufig und gerne Kunst am Bau, in den letzten Jahren zum Beispiel ein Neonröhren-Knäuel im Lichthof am Hauptsitz der St. Galler Kantonalbank (2007), Wandmalereien in der sanierten Turnhalle der Schulanlage Krontal (2007) und seine Installation «Do you hear the birds» in der Tiefgarage Brühltor.
Wie bei Mani Matter
Zwei Herzen schlagen in Hanimanns Brust. Er arbeitet sowohl mit Texten als auch mit Bildern. Vorgefundenes wird von ihm weitergedacht und weiterentwickelt. Sehr lange hat Alex Hanimann für das Oberstufenzentrum Buechenwald eine Textarbeit vorangetrieben. Nachdem er aber kurz vor dem Abgabetermin nochmals den Rohbau besucht hatte, fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Der verschachtelte Bau mit einem zickzackförmigen Grundriss schrie förmlich nach einer Öffnung.
Am einzigen Ort wo das Gebäude sich weitet, beim nordwestlichen, über zwei Etagen reichenden Eingangsbereich, wollte der Künstler diese Wirkung noch verstärken. Sein Siegerprojekt sieht vor, die beiden Seitenwände bis auf die Höhe von etwa vier Metern komplett mit Spiegeln zu versehen. Was passiert, wenn man sich darin spiegelt, hat der Berner Chansonnier Mani Matter in seinem Lied «Bim Coiffeur» von 1966 treffend beschrieben: «Bim Coiffeur bin i gsässe vor em Spiegel,
luege dry / Und gseh dert drinn e Spiegel wo ar Wand isch vis-à-vis / Und dert drin spiegelt sech dr Spiegel da vor mir / Und i däm Spiegel widerum dr Spiegel hindefür / Und so geng wyter, s’isch gsy win en länge Korridor / I dämm my Chopf gwüss hunderfach vo hinden und vo vor / Isch ufgreit gsy i eier Kolonne, z’hinderst isch dr Chopf / I ha ne nümme gchennt, so chly gsy win e Gufechopf.»
Eine andere Dimension
Der Betrachter verliert sich, in die Spiegel blickend, in der Unendlichkeit. Der Raum öffnet sich explosionsartig, die Enge wird gesprengt, die Wände lösen sich auf und Weite entsteht. Es geht Hanimann um das Sichtbarmachen einer anderen Dimension von Raum. Der Eingang, Ort des Übergangs von draussen nach drinnen, vom öffentlichen in den schulischen Bereich ist Sinnbild für die Zeit des Übergangs von der Kindheit zum Erwachsensein.
Alex Hanimann, der während einiger Jahre an der Kanti am Burggraben unterrichtete, stellte damals fest, dass viele seiner Schüler sich von Surrealem angezogen fühlten. Mit geweiteten Sinnen sollen die Jugendlichen ihr neues Schulhaus betreten, am Eingang die Schwere ablegen, das Verspielte zulassen und die Möglichkeiten ausloten, die sich auftun.
Im Zuge seiner Recherchen stiess der Künstler nicht nur auf das Matter-Chanson, sondern auch auf eine Komposition des Komponisten Arvo Pärt namens «Spiegel im Spiegel». Hanimann wurde klar, dass er versuchen wollte, die visuellen Eindrücke zusätzlich mit akustischen Mitteln zu untermalen und zu verstärken. Mittlerweile steht fest, dass er mit Musikern etwas vier bis fünf Tonsequenzen à 15 Sekunden kreieren wird.
Ausgelöst durch Bewegungsmelder werden dann wie aus dem Nichts feine, sphärische Tonabfolgen eingeblendet.
Das Projekt ist auf gutem Wege, vieles ist schon aufgegleist. Der Auftrag für die Spiegel wurde vergeben, Lösungen für das Anbringen der Lautsprecher und Bewegungsmelder sind gefunden. Als weiteres visuelles Element wird eine Bodenlinie hinzukommen. Dieses Farbband wird sich zwar in der Unendlichkeit der Spiegel verlieren.
Als Gruss aus einer anderen Dimension wird es aber beim zweiten, nordöstlichen Schulhauseingang wieder auftauchen.
Erschienen im St. Galler Tagblatt am 10.09.2009