St.Galler Tagblatt

Erwartungen und Aufbrüche

Der Mensch steht im Mittelpunkt der Arbeiten von Christine Hasler-Sager. In der Galerie vor der Klostermauer zeigt sie derzeit ihre Bilder und Skulpturen. Dabei beweist sie eine besondere Sensibilität für Menschengruppen.

Von Christina Genova

Menschen sind am Warten. Auch wenn man nicht erkennen kann, worauf, spürt man als Betrachter eine erwartungsvolle Spannung. Die einen warten geduldig, andere hingegen voller Ungeduld. Unterschiedliche Menschen, gross und klein, alt und jung stehen in der Schlange, auch eine Frau in Erwartung ist darunter. Ihr Warten wird – im doppelten Sinne – bald ein Ende haben.

Schöne Schwangere
Die Rundungen schwangerer Frauen haben es Christine Hasler-Sager, die selbst dreifache Mutter ist, angetan. Drei kleinere Skulpturen aus Gips und Styropor, Frauen in verschiedenen Stadien der Schwangerschaft darstellend, sind in der Ausstellung der Künstlerin in der Galerie vor der Klostermauer zu sehen. Sie sind für sie Symbole der Hoffnung, des Neuanfangs und «einfach schön».

Nicht nur die Frauen, auch die Kinder liegen der Künstlerin am Herzen. In «Geld und Macht», ein Bild, das als Reaktion auf die Finanzkrise entstanden ist, entlarvt sie das Streben vieler Menschen nach rein materiellen Werten. Ihre Aufmerksamkeit ist nur dem Götzen Geld zugewandt. Die Kinder in ihrer Mitte würdigen sie keines Blickes.

Ausschliesslich Gruppenbilder
Christine Hasler-Sager malt gerne Menschen: «Für mich steht der Mensch im Mittelpunkt meines Schaffens.» Auch in der Politik, wo sie sich seit kurzem im Wiler Stadtparlament engagiert, und in ihrem angestammten Beruf als Krankenschwester, galt und gilt für sie dieses Credo. Die in St. Gallen aufgewachsene und heute in Wil wohnhafte Künstlerin zeigt in ihrer Ausstellung ausschliesslich Gruppenbilder von Menschen. Sie malt aber auch gerne Porträts.

Christine Hasler-Sager hat eine grosse Sensibilität für die Stimmungen und die unterschiedlichen Energien, die von Menschenansammlungen ausgehen. Kraft und Aufbruch strahlt der Menschenzug aus, den sie «in Motion», genannt hat. Man kann den Vorwärtsdrang der Menschen förmlich spüren. Fiebrige Hektik verströmt hingegen ein Werk mit dem vielsagenden Titel «Schlussverkauf».

Ganz anders ist es bei «Unterwegs». Dieser Menschenstrom gleicht einer uniformen, zähen Masse. Es scheint ein schwerer Gang zu sein. Wohin die Menschen wohl unterwegs sind? Unwillkürlich denkt man an eine Flucht.

Die Bilder erzählen Geschichten. Aber auch das einzelne Bild soll eine Geschichte bekommen. Sie fügt deshalb in Mischtechnik viele Farb- und Materialschichten übereinander – ein sinnliches Vergnügen für die Künstlerin. Sie arbeitet gerne intuitiv, aus dem Moment heraus. Von sich selbst sagt sie: «Ich hasse Skizzen.» Manchmal muss sie ein Bild für einige Zeit beiseite stellen, um es dann später überarbeiten und perfektionieren zu können. In den letzten Jahren hat sie sich künstlerisch kontinuierlich weitergebildet und zuletzt die Studiengänge FFR an der Schule für Gestaltung in St. Gallen besucht.

Feinarbeit für Gesichtszüge
Christine Hasler-Sager bewegt sich mit ihrer Malerei zwischen gegenständlicher und abstrakter Darstellung. Sie abstrahiert dort, wo die Details für die Bildaussage unwichtig sind. Am genauesten ausgearbeitet sind bei ihr häufig die Gesichtszüge der Menschen. Neben Bildern und Skulpturen sind in der Ausstellung auch dekorative Stelen zu sehen. Der Mensch steht dort ebenfalls im Mittelpunkt: Zwischen Scheiben aus Metall, Ton und Holz hat sie dreidimensionale Charakterköpfe aus Ton gefügt.

Bis 10. Mai; Do/Fr 18–20, Sa 11–15, So 10–12 Uhr; So-Apéro 3./10.5.

Erschienen im St. Galler Tagblatt am 21.04.2009