St.Galler Tagblatt

Farbbetrachtungen

Vor fünf Jahren war Louis Gross im Rahmen einer Gruppenausstellung in der Galerie Werkart vertreten. Nun präsentiert er am gleichen Ort seine erste Einzelausstellung seit vielen Jahren.

Von Christina Genova

Prägend war für Louis Gross seine Brüsseler Zeit. Ab Mitte der 50er- Jahre verbrachte er mehr als sieben Jahre in der belgischen Hauptstadt. Neben seinem Brotberuf als Stickereientwerfer besuchte der St. Galler Künstler allabendlich Kurse an der Ecole des Beaux-Arts, schulte seine Hand und sein Auge. Zurück in der Schweiz, nach einer Zweitausbildung zum Grafiker, fand er eine Anstellung bei Sulzer in Winterthur. Auf den Zugfahrten dorthin wurde ihm das Skizzieren ein treuer Begleiter. Vorbeiziehende Landschaften und Mitreisende hielt er auf seinen Blättern fest.

Die in der Galerie Werkart aufgelegten Skizzenbücher offenbaren einen begabten Zeichner, der mit wenigen, geübten Strichen die wesentlichen Konturen festzuhalten versteht. Durch das Skizzieren behielt Louis Gross den Bezug zum Figürlichen, während sich seine Malerei immer mehr dem Ungegenständlichen annäherte. Die Kunst konnte er in seinem Arbeitsleben zumindest teilweise zum Beruf machen, als er Lehrer für figürliches Zeichnen an der Kunstgewerbeschule in St. Gallen und damit Nachfolger seines Freundes und Förderers Fredi Kobel wurde.

Grundfarben im Zentrum
Mit Aktzeichnungen war Louis Gross vor fünf Jahren im Rahmen einer Gruppenausstellung erstmals in der Galerie Werkart zu sehen. Nun ist er zurück mit seiner ersten Einzelausstellung seit zwölf Jahren unter dem Titel «Beschauliches». Zu sehen sind Werke der vergangenen zehn Jahre. Beschaulich ist die Ausstellung in dem Sinne, als dass sie sich völlig unaufgeregt und unprätentiös präsentiert. Der Titel ist aber auch auf den Entstehungsprozess der Werke gemünzt. Die künstlerische Auseinandersetzung dient Louis Gross der Selbstfindung und der Suche nach innerer Ruhe und Frieden.

Der Weg dorthin führt über die Naturbetrachtung. Wasser, Steine, Holz, der Waldboden, das Licht dienen dem Künstler als Quellen der Inspiration. In der Kontemplation gelingt die Konzentration auf das Wesentliche, auf das, was die Welt im Innersten zusammenhält. Dazu gehören für Louis Gross die Grundfarben Rot, Gelb und Blau. Er hat sie auch schon mit der Dreifaltigkeit verglichen und sich damit nicht nur Freunde gemacht. Es sind die einzigen Farben, die man nicht durch Mischung erzeugen kann und aus denen sich zusammen mit Weiss und Schwarz alle erdenklichen Farbnuancen ergeben. Die Grundfarben sind für den Künstler Ausgangspunkt und immerwährender Bezugspunkt variantenreicher Farbstudien. Man begegnet den Grundfarben in ihrer gemittetsten Form, Cyan, Magenta und Gelb, wie man sie auch vom Vierfarbendruck her kennt. Man findet sie in ihren kalten und warmen Ausprägungen, untereinander gemischt, auch aufgehellt mit Weiss. Häufig legt der Künstler die Farbschichten lasierend übereinander, so dass die Bilder den Eindruck von durchscheinenden Geweben erwecken.

Zerriebene Holzkohle
Mischt man alle drei Grundfarben zusammen, erhält man Schwarz oder Grau. Folglich sind auch diese unbunten Farben Gegenstand der Farbbetrachtungen von Louis Gross. Netzartig überzieht ein schwarz-graues Liniengeflecht die Leinwand, in seiner Struktur an das Adergeflecht von Blättern oder an feinste, netzartige Stickereien erinnernd. Die schwarze, pastös aufgetragene Farbe hat der Künstler aus zerriebener Holzkohle gewonnen, die er im Wald gesammelt hat. Hölzerne Fundstücke sind auch Bestandteil anderer ausgestellter Werke. Die Natur findet somit auch ganz konkret Eingang in sein Schaffen.

Bis 13. Februar, Galerie Werkart St. Gallen, Sonntagsapéro am 1.2., ab 12 Uhr

Erschienen im St. Galler Tagblatt am 27.01.2009