Unter dem Titel «Streifzüge I» präsentiert die Romanshornerin Regula Fischer ihre Werke in einer ersten Einzelausstellung.
Von Christina Genova
Aller Anfang ist schwer, wenn ein leeres, weisses Blatt vor einem liegt. Aber Regula Fischer weiss sich zu helfen. Sie überwindet den horror vacui, indem sie Ausschnitte aus Zeitungen und Zeitschriften aufklebt. Darüber trägt sie meist in Mischtechnik weitere (Farb-)Schichten auf. Geschult durch etliche, zum Teil mehrjährige Zeichen- und Malkurse beherrscht sie verschiedene Techniken und Stile.
Ferienerinnerungen, Collagen
In der ersten grossen Einzelausstellung der Romanshorner Künstlerin in der Galerie vor der Klostermauer finden sich sowohl abstrakte als auch mehr am Gegenständlichen orientierte Werke. Es ist vor allem die Vielfalt, die auffällt. Man findet Ferienerinnerungen, Bilder von Pinien in verschiedenen Abstraktionsgraden und Ansichten vom Meer. Daneben gibt es zahlreiche Collagen, die einen bunt, die andern in Schwarzweiss gehalten.
Welches aber ist der rote Faden in ihrem Werk? Es fällt schwer, in ihren Bildern eine Antwort darauf zu finden. Bemerkenswert sind Fischers Kugelschreiberskizzen. Die Künstlerin verfügt zwar über ein Atelier. Manchmal überkommt sie die Lust zu malen aber auch zu Hause, zum Beispiel beim Anblick der sich türmenden Wäscheberge. In solchen Momenten erlaubt sie sich eine kleine Flucht aus dem Alltag und dabei entstehen häufig Kugelschreiberskizzen. Ein Kugelschreiber ist immer zur Hand und, bedingt durch das kleine A5-Format, benötigt sie nicht viel Platz. Das Skizzieren mit dem Kugelschreiber zwingt sie ausserdem dazu, immer wieder nach neuen Lösungen zu suchen, denn ein einmal gesetzter Strich kann nicht mehr radiert werden. Regula Fischer hält meist Alltägliches fest, was aber häufig weder auf den ersten, noch auf den zweiten Blick erkennbar ist.
Überraschendes aus dem Alltag
Ursprünglich war sie Lehrerin für Textiles Werken und Gestalten. Vielleicht hält sie deshalb mit dem Kugelschreiber bevorzugt Faltungen fest – einen Lappen, der über einem Wasserhahn hängt, die zerknautschte Sporttasche ihres Sohnes. Sie rückt immer nur einen Ausschnitt ins Zentrum, Unwichtiges lässt sie weg, was sie fasziniert, akzentuiert sie. Es entstehen eigentümliche Landschaften, tiefe Täler verlaufen zwischen hohen Gebirgsketten. Man glaubt etwas zu erkennen, doch es war ein Trugschluss, der Blick verfängt sich, findet keinen Halt. Die Phantasie fängt an, einem Streiche zu spielen, in den Faltungen der achtlos am Boden liegen gelassenen Jacke lassen sich auf einmal die Umrisse geheimnisvoller Fabelwesen und Fratzen entdecken. Ihre Kugelschreiberskizzen eröffnen einem neue, ungewohnte Blicke auf Alltägliches.
Galerie vor der Klostermauer, St. Gallen. Die Ausstellung dauert bis am 12. Oktober.
Erschienen im St. Galler Tagblatt am 27.09.2008