St.Galler Tagblatt

Fragile Dialoge

Ausstellung von Christian Lippuner in der Galerie vor der Klostermauer
Der Thurgauer Christian Lippuner lotet in seiner Ausstellung «Vom Vernetzen und Verstricken in Dialoge» mit feinem Gespür einige Spannungsfelder des Zwischenmenschlichen aus.

Während langen Jahren machte Christian Lippuner als ausgebildeter Grafiker Karriere in der Werbebranche. Sein früheres Leben ist ihm aber kaum ein Satz wert, vorbei ist vorbei. Aber immer war da der Traum: «Mit 50 werde ich mich ganz der Kunst widmen.» Er musste 53 werden, bis er ihn realisieren konnte.

Nicht irgendein Künstler will er sein; der Spätberufene sucht nach Anerkennung, ist ein unermüdlicher Schaffer. Jeden Morgen geht der in Salenstein im Kanton Thurgau wohnhafte Künstler zur Arbeit in sein Atelier nach Ermatingen.

Alles unter Kontrolle
Christian Lippuner zeigt überwiegend neue, 2008 entstandene Arbeiten, die sich mit dem Dialog auseinandersetzen. Häufig wendet er dabei die Drucktechnik der Monotypie an, bei der nur ein einziges Exemplar gedruckt werden kann. Das ganze Bild wird mit Ölfarbe auf eine Glasplatte aufgetragen, und danach in noch feuchtem Zustand auf dünnes Zeitungspapier abgezogen. Es ist kein einfaches Unterfangen, das genaues und sorgfältiges Arbeiten voraussetzt. Bis ins letzte Detail muss es stimmen, und Lippuner hat eine genaue Vorstellung davon, wie etwas sein soll. Jeder noch so spontan wirkende Farbspritzer ist gewollt, fein orchestriert, unter seiner Kontrolle.

Die Fragilität des Papiers findet gewissermassen ihre Entsprechung in der Störanfälligkeit des Dialogs. Ein Glück ist es, zu verstehen und verstanden zu werden. Jeder Austausch reduziert sich allen modernen Kommunikationsmitteln zum Trotz schliesslich auf ein Ich und ein Du.
Schemenhaft

Was aber bringt die Energie zwischen zwei Menschen zum Fliessen, was zum Stocken und wann bauen sich unüberwindliche Differenzen auf? Mit feinem Gespür lotet der Thurgauer diese Spannungsfelder des Zwischenmenschlichen aus. Er versucht sichtbar zu machen, was immer ein Stück weit Geheimnis bleiben wird: das Feinstoffliche, die Chemie zwischen zwei Menschen. Einer der Monotypien zeigt ein Paar im Dialog. Wächsern ist die Farbgebung, die beiden scheinen fast schon in Auflösung begriffen. Diesen Effekt erzielte der Künstler, indem er die Glasplatte mit Leinöl grundierte. Zwischen den beiden ist ein Liniengeflecht zu sehen – Kommunikationskanäle, die eingeritzten Lebenslinien gleichen. So flüchtig wie die menschliche Existenz, so schemenhaft sind auch die Gestalten, die auf den Bildern Christian Lippuners auszumachen sind. Wir Menschen, wo ordnen wir uns ein, in Raum und Zeit? Nur kurz treten wir aus dem Dunkel, um uns wieder dorthin zu verabschieden.

Raum und Zeit lotet er auch in früheren Werken aus, die 2006 und 2007 entstanden sind. Lippuner thematisiert den urbanen Raum, der zugleich geordnet und chaotisch ist, aber auch beängstigend in seinem Wirrwarr. Es ist ein menschengemachtes Chaos, in dem die Verursacher durch Abwesenheit glänzen. Christian Lippuner ist ein nachdenklicher, sensibler Künstler, der in seinen «Dialogen» etwas zu sagen hat.
Bis 27.4., So-Apéros am 13./27.4., jeweils 10-12 Uhr; Lesung mit dem Bündner Autor Vic Hendry am So, 20.4., 11 Uhr

Erschienen im St. Galler Tagblatt am 02.07.2008