St.Galler Tagblatt

Cherchez la femme

Im Frauenpavillon zeigt Gabriela Falkner Frauenfotografien. Schöner Zufall, dass auf der gegenüberliegenden Seite des Stadtparks, im Kunstmuseum, die Ausstellung «Ladies Only!» zu sehen ist.

Von Christina Genova

Eigentlich hatte Gabriela Falkner von den Betreiberinnen des Frauenpavillons eine Carte blanche erhalten. Die Einladung, ihre Fotografien auszustellen, war mit keinerlei Auflagen verbunden, schon gar nicht damit, an diesem Frauenort zwangsläufig die Frau zum Thema zu machen. Nichts lag denn auch der Herisauer Fotografin ferner – denn Menschen kommen in ihrem bisherigen Schaffen nur am Rande vor. Sie bevorzugt die Beschäftigung mit «toter Materie», wie sie es nennt, mit den Dingen, die Menschen hinterlassen.

Eine andere Perspektive
Vielleicht kam gerade deshalb der Wunsch auf, sich mit dem bisher Vernachlässigten etwas eingehender zu beschäftigen, und sie begann, ihr Archiv zu durchforsten. Die Künstlerin konnte zur eigenen Überraschung einiges an Frauen- und Menschenbildern zutage fördern. Die ausgewählten analogen Fotografien stammen aus den Jahren 1994 bis 2007. Ihre Motive findet die Künstlerin im urbanen Raum, dessen oft rohe Ästhetik sie mit feinem Gespür erfasst. Die Auseinandersetzung mit dem Thema «Frau» erlaubte es ihr, ihr bisheriges Schaffen aus einer anderen Perspektive zu sehen. Ihr Blick für das Unscheinbare und die Schönheit des Zerfalls zeigt sich aber auch bei den für den Frauenpavillon ausgewählten Bildern.

Unter dem Titel «Frauen sind im Bild» sind neun Fotografien zu sehen, doch wirklich ins Bild genommen hat Gabriela Falkner nur eine aus Fleisch und Blut, die Frau im roten Mantel, rot wie die Wände im Frauenpavillon. Sie steht leicht abgewandt an einer Haltestelle und ist hinter der Glasabtrennung nur verschwommen zu erkennen.

Widersprüchliche Frauenbilder
Dieses Flüchtige, nicht ganz Fassbare ist bezeichnend für Falkners Auseinandersetzung mit realen Menschen. Sie scheint sich davor zu scheuen, sie mit der Kamera direkt ins Visier zu nehmen. Als ob sie ihnen nicht zu nahe treten möchte und so die nötige Distanz einhalten kann. Die anderen acht beziehungsweise sieben Fotografien – auf einer davon haben sich Männer eingeschlichen – zeigen Abbilder von Frauen. Bevor sie von Gabriela Falkner aufgespürt worden sind, haben sich bereits andere ihr Bild gemacht. Es sind Fundstücke, welche die Vielfalt und Widersprüchlichkeit von Frauenbildern und -rollen zum Ausdruck bringen: eine steinerne Madonna, deren Antlitz von der Witterung unkenntlich gemacht wurde, das Graffito einer barbusigen Frau auf einer Betonmauer, ein mittels einer Schablone aufgemaltes laszives Frauengesicht.

Auf Gesichter reduziert
Diese drei Frauenbilder gehören zu einer Serie von fünf Fotografien, bei denen die Künstlerin von ihrem Prinzip abgewichen ist, an den Bildern nichts zu verändern. Sie hat sie aus ihrem ursprünglichen Kontext gelöst und auf die Gesichter reduziert. Dadurch verlieren die Bilder an Ausdruckskraft, denn zu den Stärken von Gabriela Falkners Fotografien gehört gerade, dass sie in ihrer ganzen Komposition, den Farb- und Strukturkomponenten und dem gewählten Bildausschnitt, in sich stimmig sind. Spannender als diese fotografierten Abbilder bleibt ihr persönlicher Blick auf Menschen und Dinge.
Bis 11.7. und vom 8.8. bis 19.9., Frauenpavillon im Stadtpark, jeweils Fr/Sa/So; www.frauenpavillon.ch

Erschienen im St. Galler Tagblatt am 04.07.2008