St.Galler Tagblatt

Stoffe zur Zeit

Quiltausstellung: 41 Textilkünstler aus Europa und Südafrika stellen im Textilmuseum aus
St. Gallen. Das Textilmuseum präsentiert die vierte jurierte, internationale Wanderausstellung, welche die Vielfalt zeitgenössischer Quiltkunst präsentiert. Als Thema der Arbeiten war diesmal «Zeit» vorgegeben.

Bereits zum vierten Mal hat die Münchner Textilkünstlerin und Ausstellungsmacherin Dörte Bach eine internationale, jurierte Quiltausstellung im Rahmen des ebenfalls von ihr organisierten 14. Internationalen Quilt- und Patchworkseminars 2006 in Irsee (D) auf die Beine gestellt. Aufgabe war es, eine textile Arbeit zum Thema «Zeit» zu gestalten. Von den zahlreichen eingereichten Werken sind fünf prämiert worden. Neben Stationen in Deutschland, Österreich, Frankreich und Südafrika ist die Ausstellung «Zeit-Stücke» nun auch im Treppenhaus des Textilmuseums zu sehen. Dörte Bach ist im Textilmuseum keine Unbekannte. Bereits 2005 hat sie dort mit zwei weiteren Textilkünstlerinnen eine Ausstellung bestritten.

Quilt: Schlechtes Image
Seine Kreativität in textiler Form auszuleben, scheint immer noch vorwiegend reine Frauensache zu sein: Von den 41 ausgestellten Werken stammt ein einziges von einem Mann. Überhaupt hat das Quilten noch immer das eher schlechte Image eines altbackenen Hausfrauenhobbys. Da kann man sich aber ziemlich täuschen. Natürlich besitzt das traditionelle Quilten in der internationalen Quilting-Szene noch immer einen hohen Stellenwert. Dabei werden Stoffstücke zugeschnitten und in stundenlanger Präzisionsarbeit zu meist geometrischen Mustern zusammengenäht, um daraus schliesslich eine dreilagige Steppdecke herzustellen. Diese Tradition bleibt zwar oft Referenzpunkt, aber die allgemeinere Bezeichnung «textile Arbeit» trifft auf den grössten Teil der im Textilmuseum ausgestellten Werke besser zu, als «Quilt». Die Ausstellung «Zeit-Stücke» zeigt auf, welch weites Feld die «textile kreative Oberflächengestaltung», wie es in der Medienmitteilung zur Ausstellung heisst, mittlerweile darstellt. Traditionelles hängt scheinbar gleichberechtigt neben Experimentellem und Künstlerisches neben Kunsthandwerklichem.

Positiv betrachtet erhält man dank dieser Vielfalt einen guten Überblick über das textile Schaffen in Mitteleuropa (die meisten der Künstlerinnen stammen aus Deutschland, Österreich, den Niederlanden und der Schweiz). Man staunt über die Fülle der angewandten Techniken und verwendeten Materialien. Indem zum Beispiel die österreichische Künstlerin Gerlinde Merl unzählige kleine Stoffstücke auf wasserlösliches Vlies aufnähte, gelang es ihr, diese fast schwerelos aneinander zu befestigen. Die Schweizer Textilkünstlerin Verena Matter wiederum, die der Jury angehörte, verändert digitale Fotos auf dem Computer und bringt sie mit der computergesteuerten Stickmaschine auf den Stoff. Die Niederländerin Els van Baarle, die den ersten Preis gewonnen hat, stellt die Stoffe für ihre poetischen Werke mit Batiktechnik oder im Siebdruckverfahren selbst her, andere wiederum bedrucken Stoffe mit einem einfachen Tintenstrahldrucker.

Aussergewöhnliche Materialien
Nicht nur Stoffe wurden verarbeitet, sondern auch Papier, Krawatten und – als vielleicht aussergewöhnlichstes Material – Luftpolster. Gestickt wird von Hand, mit der Maschine, oder mit beidem. Und als wäre dies nicht der Vielfalt genug, wurde das vorgegebene Thema der «Zeit» von den einzelnen Künstlerinnen sehr unterschiedlich interpretiert.

Was zurückbleibt, ist der Eindruck einer sehr heterogenen Ausstellung, die von einer Beschränkung auf die herausragendsten Arbeiten profitiert hätte. Es scheint rätselhaft, wie sich die Jury ob dieser Vielfalt überhaupt auf gemeinsame Auswahlkriterien einigen und schliesslich die fünf Gewinnerinnen bestimmen konnte. Als Besucherin der Ausstellung vermisst man Erläuterungen zu den einzelnen Künstlerinnen und ihren Werken und gerne würde man erfahren, was die fünf Siegerwerke vor den anderen ausgezeichnet hat.

Bis 30. März, im Treppenhaus des Textilmuseums St. Gallen, Mo-So, 10-17 Uhr

Erschienen im St. Galler Tagblatt am 02.02.2008