St.Galler Tagblatt

Die Poesie des Zerfalls

Ausstellung «Das Sichtbare sehen» von Gabriela Falkner im «Kunstzimmer»
St. Gallen. Die in Herisau lebende Fotografin Gabriela Falkner hält in ihren Bildern Stillleben des Alltags und der Vergänglichkeit fest. Noch bis 16. Februar zu sehen im «Kunstzimmer».

Blumen, in Zellophan verpackt, modern vor sich hin. Darum herum sind ein paar Plastikblümchen drapiert. «Gedenkblumen» nennt Gabriela Falkner die Fotoarbeit. Diese und vierzehn weitere ihrer Fotografien sind zurzeit im «Kunstzimmer» von Mareike Zimmermann unter dem Titel «Das Sichtbare sehen» ausgestellt.

Genau hingesehen
Die 1967 in Trogen geborene, und heute in Herisau wohnhafte Fotografin scheint ein besonderes Gespür für die morbide Schönheit des Zerfalls zu haben. In ihren Fotografien klingt die Vergänglichkeit alles Irdischen an. Dort, wo es scheinbar nichts zu sehen gibt, oder wo man sogar lieber wegschauen würde, reizt es sie, genauer hinzuschauen. Sie lenkt unser Auge auf das, was Menschen zurückgelassen haben. Es sind Stillleben des Alltags, zum Beispiel ein Autovordersitz, auf dem jemand neben einem Handy allerlei Krimskrams liegen liess. Ihre Fotografien hinterlassen aber auch offene Fragen. Für wen war wohl die Zeitung bestimmt, die nie abgeholt wurde und jetzt langsam vor sich hin vergilbt? Plastik, verrostendes Metall und Papierfetzen, vom Zufall angeordnet, zoomt Gabriela Falkner so nahe heran, dass die Fotografie davon wie eine Collage oder ein abstraktes Gemälde wirkt.

Abwesende Menschen
Jeden Bildausschnitt hat sie bewusst gewählt; durch ihre Linse betrachtet entwickelt scheinbar Unscheinbares ein Eigenleben und seine ganz eigene Schönheit. Zur Einfachheit ihrer Motive passt, dass alle Fotografien in analoger Technik entstanden sind, nichts in diesen Aufnahmen ist gestellt oder inszeniert worden (im Gegensatz zu ihrer Installation «Notvorrat»). Vielleicht gerade weil sie mit ihrer Kamera menschliche Hinterlassenschaften einfängt, sind die Menschen selbst auf ihren Fotografien die grossen Abwesenden. Nur ein Bild zeigt schemenhaft Menschen als Spiegelung in einem Schaufenster.

Bis 16. Februar, Kunstzimmer, Frongartenstr. 8, St. Gallen

Erschienen im St. Galler Tagblatt am 05.02.2008