St.Galler Tagblatt

Von Menschen und Tieren

Ausstellung von Sylvia Geel in der Galerie vor der Klostermauer
St. Gallen. Zum zweiten Mal stellt die in St. Gallen geborene Sylvia Geel in der Galerie vor der Klostermauer aus. Zu sehen sind auf Ausschnitte fokussierte Gemälde von Menschen und Tieren, deren Vergänglichkeit und Nacktheit im Zentrum steht.

Ein wunderschöner rosa Schweinebauch breitet sich einer Landkarte gleich auf der Leinwand aus. Die wenigen dunklen Fellflecken scheinen wie Inseln in einem blassrosa schimmernden Meer. Kopf, Beine und Hinterteil sind nicht zu sehen, die Zitzen am unteren Bildrand verraten, dass es sich um ein weibliches Tier handelt.

Es ist eine Liebeserklärung der besonderen Art an ein Tier, das nicht selten mit Geringschätzung bestraft wird. Kein Kotspritzer zerstört diese Ode an das Schwein – und dies hat seinen guten Grund: Die Künstlerin wohnt seit gut zwei Jahren im Appenzellerland und hat ihr Atelier in einem umgebauten Schweinestall eingerichtet. Mit diesem Werk wollte sie sich bei den Vormietern sozusagen für die inspirierende Arbeitsumgebung bedanken.

Zoom aufs Wesentliche
Bereits zum zweiten Mal stellt Sylvia Geel, die 1959 in St. Gallen geboren wurde und als selbständige Grafikerin und Illustratorin arbeitet, in der Galerie vor der Klostermauer aus.

Gemeinsam ist den acht neuen Arbeiten, dass sie nur Ausschnitte eines Ganzen zeigen. Die Ölgemälde erinnern an Schnappschüsse. Die Künstlerin benutzt den Pinsel – um in der Fototerminologie zu bleiben – als Zoom, um das ihr Wesentliche ins Zentrum des Bildes zu rücken. Neben Tieren hat Sylvia Geel auch Menschen in ihren Fokus genommen. Sie beherrscht die Kunst, einen Menschen aufgrund weniger Details zu charakterisieren. Liebevoll hat die Künstlerin eine ältere Dame ins Bild gerückt. Von ihrem nackten Körper sind nicht mehr als Hals, Schultern und Brustansatz zu sehen. Um den Hals trägt sie eine Perlenkette. Ihre fleckige Haut verrät zwar, dass sie nicht mehr ganz jung ist. Dennoch strahlt ihre Körperhaltung eine unglaubliche Würde aus.

Ein Bild der Lächerlichkeit
Alles andere als liebevoll hat Sylvia Geel den anderen Bauch in dieser Ausstellung unter die Lupe genommen. Das Gegenstück zum Schweinebauch bildet der Schmerbauch eines in die Jahre gekommenen Vertreters des männlichen Geschlechts. Sylvia Geel erspart einem nichts: Weder das goldene Kreuz, das auf der schlaffen, faltigen Brust hängt, noch die vielen Leberflecken, die den Bauch überziehen. Die Arme eng an den Körper gepresst, bietet der Mann ein Bild der Lächerlichkeit. Sylvia Geel konfrontiert den Betrachter mit unangenehmen Realitäten: Sie malt die Menschen in ihrer ganzen Nacktheit, Fleischlichkeit und Vergänglichkeit. Darauf mag auch das riesige, blutige Fleischstück anspielen, das auf einem der weiteren Bilder zu sehen ist.

Tiere haben es einfacher
Wichtig ist in dieser Hinsicht auch die Beziehung zwischen Mensch und Tier, ein Thema, das die Künstlerin schon seit längerem beschäftigt. Viele Einsichten zur menschlichen Natur eröffnen sich einem erst in Bezug zur Tierwelt. So sind zwar auf den Bildern Sylvia Geels sowohl Tiere als auch Menschen unbekleidet, trotzdem sind die Tiere nicht nackt und wirken nie lächerlich. Auch was das Altern angeht, scheinen es die Tiere einfacher zu haben. Ihnen zumindest sieht man ihr Alter nicht auf den ersten Blick an. Sylvia Geel präsentiert eine vielschichtige Ausstellung, die zum Nachdenken anregt.

Bis 7.10.; So-Apéro am 23.9. und 7.10., 10-12 Uhr; geöffnet Do/Fr 18-20, Sa 11-15, So 10-12 Uhr

Erschienen im St. Galler Tagblatt am 21.09.2007