St.Galler Tagblatt

Ins Auge gefasst

Im Frauenpavillon zeigt auch dieses Jahr eine Künstlerin ihre Arbeiten
St. Gallen. Die freischaffende Winterthurer Künstlerin und wissenschaftliche Illustratorin Monika Krucker geniesst Gastrecht im frisch renovierten Frauenpavillon im Stadtpark.

Die ausgestellten «frammenti di sguardo» sind diesen Frühling während eines Aufenthalts in Venedig entstanden, ermöglicht durch ein Stipendium des Istituto Svizzero di Roma. Für ihre Werke wählt Monika Krucker einen besonderen Malgrund: Es sind Tannen- bzw. Lärchenholz-Kuben im Format 10 x 10 x 4 cm, wobei sie jeweils nur eine Fläche des Würfels mit Acrylfarbe und Bleistift oder Pigmenten und Kohle bemalt.

Die Textur des Holzes, dessen ganz individuelle Maserung übertüncht die Künstlerin nicht etwa, sondern macht sie zu einem Bestandteil der in zarten Farben gehaltenen Bilder. Dazu gehören auch Astlöcher und Risse im Holz. Die Jahrringe bilden eine Art Raster, entlang denen die Bilder wachsen, worauf sie sich beziehen und wodurch sie auch begrenzt werden. Im Verlaufe der letzten drei Jahre haben sich Monika Kruckers Werke kontinuierlich vom Gegenständlichen zum Abstrakten hin entwickelt.

Venedig ganz nah
Die «Blickstücke» sind Teil dieses Prozesses, der seinen vorläufigen Schlusspunkt in der in Venedig entstandenen Werkgruppe findet. Dabei handelt es sich unter anderem um Bildausschnitte aus früheren Werken, die sie transformiert und abstrahiert hat. Die «frammenti di sguardo» lassen uns teilhaben an den Streifzügen der Künstlerin durch diese Stadt. Die Zeichnungen sind an ihren Lieblingsorten entstanden. Monika Krucker geht nahe heran, sehr nahe, vielleicht im Wunsch zu ergründen, was diese Stadt, die wir alle zu kennen glauben, auch wenn wir noch nie da gewesen sind, im Innersten zusammenhält. Es ist kein Zufall, dass sie auf Lärchenholz malt, denn viele Häuser Venedigs stehen auf Pfählen aus eben diesem Holz.

Geheimnisvolle Blickfänge
Was Krucker ursprünglich ins Auge gefasst hat, lässt sich nur noch erahnen. Die eingefangenen Bilder sind bis zur Unkenntlichkeit zerteilt. Sie erinnern an unter dem Mikroskop betrachtete Pflanzenzellen und schaffen dadurch eine weitere Verbindung zum Holz. Angestrengt kneift man die Augen zusammen in der Hoffnung, die einzelnen Teile fügten sich so wieder zu einem Ganzen. Aber der Versuch, der Dichte und Intensität der Bilder so auf den Grund zu gehen, bleibt vergeblich. Standhaft entziehen sie sich unserer gewohnten Wahrnehmung. Das irritiert und fasziniert zugleich, denn Monika Kruckers «Blickstücke» bleiben so teilweise ihr Geheimnis. Gleichzeitig bieten sie dadurch auch Raum für eigene Bilder und Assoziationen.

Bis 21. September, Frauenpavillon

Erschienen im St. Galler Tagblatt am 23.07.2007