St.Galler Tagblatt

Fortsetzung folgt

Ausstellung von Katrin Mosimann in der Galerie vor der Klostermauer
St. Gallen. «Fadenlauf» heisst die erste Ausstellung von Katrin Mosimann aus Schwellbrunn. In ihren Arbeiten benutzt die Künstlerin die Nadel wie einen Zeichenstift.

Aufräumen, Platz schaffen, der Sammelleidenschaft etwas Einhalt gebieten. Das tun wir alle hin und wieder, auch Katrin Mosimann. Bei ihr jedoch mit dem Unterschied, dass aus solchen Aktionen Kunst entsteht. Man nehme einen Haufen aussortierter Familienfotos, füge ein Fundstück aus der Brockenstube – eine Schachtel gefüllt mit Fadenspulen – und den Vorsatz hinzu, nicht zu ruhen, bis davon kein Faden mehr übrig ist. Eine Nähmaschine braucht es noch und etwas Stoff. Und schon hat man die Grundzutaten zu «Familiengeist» und «Freunde». Für diese beiden Näharbeiten hat die Künstlerin die Umrisse ihrer Lieben ausgeschnitten und mit der Rückseite nach oben auf seidig glänzenden, weissen Stoff genäht. Die Nadel benutzt Katrin Mosimann wie einen Zeichenstift. Sie umnähte die Konturen der Menschen mit schwarzem Faden und zog Verbindungslinien. Freunde und Familienmitglieder wuchsen so zu einer Art Stammbaum zusammen.

Vom Eisen zu Stoffen
Beim Nähen legt die ausgebildete Damenschneiderin keinen Wert auf Perfektion, schnell und spontan soll es gehen. Details wie die Fadenspannung sind nebensächlich. Dadurch entstehen bei «Familiengeist» interessante dreidimensionale Effekte, ähnlich einer verschneiten Berglandschaft. Passend dazu hat Katrin Mosimann ihre Familie auf eine weiche, wattige Unterlage gebettet.

Für ihre Werke verwendet die Künstlerin unterschiedlichste Stoffe, vom alten Leintuch bis zum Damenstrumpf. Wichtig ist auch die Farbe des Stoffes: Weiss, hautfarben, höchstens beige darf er sein. Berührungen sollen darauf ihre Spuren hinterlassen.

Katrin Mosimann zeigt ihre Näharbeiten erstmals in der Ausstellung «Fadenlauf» in der Galerie vor der Klostermauer. Zur Nadel als Ausdrucksmittel hat die Künstlerin erst vor kurzem gefunden, aber man spürt, dass sie in ihrem Element ist. Man glaubt es darum kaum, dass die Künstlerin bis vor nicht allzu langer Zeit Eisenplastiken angefertigt hat.

(Menschen-)Bäume
In einer weiteren Aufräumaktion wollte sich Katrin Mosimann auch ihres alten Setzkastens entledigen. Den Inhalt hat sie natürlich nicht weggeworfen, sondern zu einem Werk verarbeitet. Eingenäht in hellbraunen Stoff liegt der dreidimensionale Setzkastenteppich wie ein Flussbett auf dem Boden der Galerie.

Nicht nur Stammbäume findet man unter ihren Werken, sondern auch etliche andere Bäume. Tote, nackte Bäume, mit hängenden Ästen, einmal genäht auf ein Stück Stoff, ein andermal in Form eines Holzobjekts. Nichts wächst hier mehr. Ein anderer (Menschen-) Baum aus Holz lässt die Äste wie Haare hängen.

Spuren des Lebens
Ansonsten lässt es Katrin Mosimann auf ihren Nähbildern gerne wachsen. Sie züchtet darauf weder Blumen noch Gemüse, sondern näht Fortsetzung zu Bildern, die sie in Zeitungen und Zeitschriften gefunden hat. Häufungen, Ansammlungen und Serien scheinen sie zu faszinieren. Vor allem Menschen in Gruppen haben es ihr angetan: Mekkapilger, staunende Grossmütter und Inderinnen lässt sie aus der Begrenzung des Bildausschnittes ausbrechen und hinauswachsen.

Ausgestellt sind in der Galerie auch vier selbst genähte Kleider. Es sind sehr weibliche und sehr persönliche Kleider, zwei Eigenschaften, die auf die gesamte Ausstellung zutreffen. Eines dieser Kleider ist wie eine zweite Haut, ein nackter Frauenkörper in seiner ganzen Verletzlichkeit und Stärke, dem die Spuren des Lebens eingenäht sind.

Bis 12.11. Galerie vor der Klostermauer; Sonntagsapéro, 5.11., 10-12 Uhr

Erschienen im St. Galler Tagblatt am 28.10.2006