St.Galler Tagblatt

Zwei Leben, sonst nichts

Irma Bonifas-Manser in der Galerie vor der Klostermauer
Irma Bonifas-Manser ist keine Frau der grossen Worte. Sie lässt ihre Bilder für sich sprechen. Und wie sie sprechen. Sie erzählen in einer ganz eigenen, ausdrucksstarken Sprache von ihrer reichen, inneren Welt.

Es ist eine farbenfrohe Welt mit Licht und Schatten und zahlreichen Tieren. Das ist kein Zufall; Tiere sind auffallend oft Gegenstand in der als Aussenseiterkunst oder Art Brut bezeichneten Kunstsparte, der man auch ihre Werke zuordnen kann. Sie scheinen Menschen mit fragiler Seele besonders anzusprechen. Irma Bonifas-Manser sagt: «Die Tiere, das bin ganz stark ich.»

Aus dem Vollen geschöpft
Angesichts der vielen Katzen, Hunde, Kühe, Schafe, Ziegen, die sie in kräftigen, satten Farben auf Leinwand gebannt hat, wird einem warm ums Herz. Die Bilder sprechen einen intuitiv an. Man spürt die starken Gefühle, die beim Malen geflossen sind und ihre Werke mit Energie aufgeladen haben. Mit ihrer ersten Einzelausstellung in der Galerie an der Klostermauer lässt einen die Künstlerin an ihrem Schaffen teilhaben. Es fällt ihr nicht leicht, fast hat sie die Angst vor dem eigenen Mut gepackt. Ermutigt dazu hat sie Walter Bosshart. Seit acht Jahren besucht sie bei ihm den Kurs «Malen intensiv-experimentell» an der Klubschule. Geschickt beriet er die Künstlerin bei der Auswahl der Werke für die Ausstellung. Entstanden ist eine farbenprächtige, vielfältige Übersicht über ihr Schaffen. Die Künstlerin konnte dabei aus dem Vollen schöpfen. Über 400 Werke haben sich angesammelt bei ihr zu Hause, im Keller. Viele davon wären vielleicht schon wieder zerstört, weil sie in ihren Augen oder in deren anderer nicht genügten. Die Ermutigungen von Kursleiter und Kursteilnehmern gaben ihr nach und nach das nötige Selbstbewusstsein, zu ihren Bildern zu stehen.

Karg eingerichtete Zimmer
Die Liebe zu Tieren und zum Malen geht zurück auf ihre Kindheit. Die Künstlerin wuchs in einer Bauernfamilie im appenzellischen Meistersrüte auf, zusammen mit fünf Geschwistern. Schon in der Schulzeit hat sie gerne gemalt. Seit über zwanzig Jahren wohnt sie mittlerweile in St. Gallen. Vielleicht auch deshalb schwingt in vielen Werken die Sehnsucht nach der Natur und nach einer heilen Welt mit. Die Künstlerin sagte einmal, Malen sei ihr erstes Leben, ihr zweites Leben das Sein mit der Natur. Alles drehe sich um diese zwei Leben, um nichts sonst. Die Entfremdung von der Natur durch ein Leben, das sich mehrheitlich drinnen abspielt, ist vor allem in den Bildern spürbar, die Innenräume zeigen. Die karg eingerichteten Zimmer drücken ganz unterschiedliche Stimmungen aus. Einer dieser Räume ist zwar spartanisch – nur mit Tisch, Lampe Telefon und Bild – ausgestattet, strahlt aber in seiner Einfachheit, und durch die in rot und violett gehaltenen Wände eine wohltuende Ruhe aus. Die Natur ist präsent durch eine Katze.

Rastlos und unermüdlich
Ein Zimmer kann aber auch zum bedrückenden Gefängnis werden, in dem man gnadenlos auf sich selbst zurückgeworfen wird. So ergeht es einer menschlichen Gestalt, die von der Künstlerin klein und verloren vor einen riesigen Tisch gemalt wurde. Nur oben an der Wand sind ein Fenster und eine Pendeluhr zu sehen. Uhren sind überhaupt ein häufiges Motiv. Vielleicht stehen sie für die Rastlosigkeit der Künstlerin, die unermüdlich, manchmal fast Tag und Nacht, an ihren Werken arbeitet.

Seit einiger Zeit haben sich zu ihren Bildern auch Papiermaché-Objekte gesellt. Diese verlangen ihr viel Geduld ab, denn Irma Bonifas-Manser ist eine impulsive, ungestüme Künstlerin. Sie kann ihr Werk rasch wieder zerstören, aus einer Laune, aus dem Moment heraus. Diese Kraft und Lebendigkeit kommt in ihren Arbeiten zum Ausdruck.

Bis 26.3., Do/Fr 18-20; Sa 11-15; So 10-12 Uhr

Erschienen im St. Galler Tagblatt am 13.03.2006